Ich wollte eigentlich auch nur den Kreuzgang sehen, hab aber gleich beim Eintritt meine Meinung geändert. Ich habe schon sehr viele Museen besucht, dieses war grandios. Neben den wunderbaren Höfen, die der Kreuzgang formt, sind sowohl die Räume des ehemaligen Katharinenklosters sehenswert, als auch die Exponate. Alle. Alles war interessant und betrachtenswert, viele Stücke waren einzigartig und herausragend.
Nach einem kurzen Abriss über die Geschichte des Klosters, fällt zuerst ein historisches Gemälde aus dem Jahr 1583 auf, der Künstler ist unbekannt und hat uns eine Stadtansicht von Stralsund hinterlassen, auf der ich vieles entdecke, was es heute noch zu sehen gibt und Gebäude, die heute nicht mehr sind, wie die St. Johanniskirche. Außerdem kann man gut erkennen, wie sich die Kirchtürme im Laufe der Zeit verändert haben. Sehr liebevoll und detailreich ist ein Model des Katharinenklosters in seiner heutigen Gestalt, hergestellt von langzeitarbeitslosen Frauen und Männern für blinde Besucher.
Sehr beeindruckend finde ich immer die Altäre und Schnitzereien, die irgendwann zwischen Spätgotik und Renaissance entstanden sind. Oft haftet ihnen etwas von naiver Kunst an, was die Darstellung der Menschen angeht, während sie in ihrem Detailreichtum wunderbar oppulent sind. Hier gibt es den Franziskus oder Sanzkower Altar, entstanden um 1525, stammt er ursprünglich aus der Kirche in Sanzkow bei Demmin. Diese verkaufte ihn 1864 dem Provinzialmuseum Vorpommern, und da er das Leben von Franz von Assisi darstellt, stammt er vermutlich aus einem Franziskanerkloster und wurde erst nach der Reformation in der Dorfkirche geparkt. Ähnlich eindrucksvoll ist die Sammlung mittelalterlicher Paramenten. Die vierzehn Priesterkleider stammen aus dem 15. Jahrhundert. Kostbare Seidenstoffe, prächtige Farben, die, obwohl stark verblichen, durchaus noch zu erahnen sind und aufwendige Stickereien. Eingedenk der Tatsache, dass die meisten Menschen damals Wolle und Leinen trugen, meist in Brauntönen, da Simplicol Färbemittel noch nicht am Markt waren, müssen die Träger der opulenten Gewänder den einfachen Leuten wie Gesandte einer höheren Macht erschienen sein.
Ganz neu war für mich, dass Stralsund eine Stadt der Fayencen ist. Ich habe diese Form der Geschirrherstellung immer eher in Südeuropa verortet, keine Idee, warum. Der Ton wurde auf Hiddensee gewonnen, einer Insel, die der Stadt Stralsund gehörte (http://fraumb-far-far-away.blogspot.de/2016/10/sozialer-wohnungsbau-im-mittelalter.html), Verhandlungen über den Besitz gab es noch bis 2001. Das Material wurde dann nach Stralsund gebracht und hier wurden diese tollen Kunstwerke geschaffen.
Das Museum umfasst drei Etage und viel Raum wird den Bereichen Handel und Wirtschaft eingeräumt. Man kann hier lernen, womit in Stralsund Geld verdient wurde, viele Dinge findet man auch in anderen Orten, aber auch hier wieder ein Augenöffner - aus Stralsund kommen Spielkarten. Kannte ich bis dato nur aus Altenburg in Thüringen.
Und während die Aufmerksamkeit von der Architektur und den Exponaten abwechselnd beansprucht wird, gelangt man zu einem weitern Highlight des Museums - zum Goldschatz der Wikinger, eher bekannt als Hiddensee-Schmuck. Dort wurde er gefunden. Am Strand. Nach einer Sturmflut tauchten die ersten Teile auf. Sie waren versunken in der Tiefe und nun hat das Meer sie wieder zurück gegeben. Stück für Stück. So prosaische Leute wie Wissenschaftler, glauben eher, dass der Schmuck in einem Gefäß gelagert und vergraben wurde im Torfmoor. Nix genaues weiß man nicht. Und ist auch egal. Nun ist er hier und die Präsentation durch das Museum steht der Schönheit und den Mysterien, die sich um den Schmuck ranken, nicht nach. Die einzelnen Schmuckstücke winden sich spiralförmig nach oben in der Vitrine, so als wären sie gerade aus dem Meer aufgestiegen. Etwas weniger spektakulär im Auffinden und Aussehen sind die Peenemünder Armreifen, die 1905 bei Pflanzen von Bäumen gefunden wurden, aber nicht weniger schön.
Weiter geht es durch die wirtschaftlich erfolgreiche Geschichte Stralsunds mit Exponaten aus der Eisen- und Stahlherstellung, Holzverarbeitung, Böttcherei, Schiffbau und des Kunstgewerbes. In der nächstes Etage gibt es viele Dinge aus den Schätzen der Kirchen, die zum Teil nicht mehr sind, denn sie konnten Sturmfluten und Bränden nicht trotzen. Andere Funde geben Einblicke in die Ur- und Frühgeschichte.
Im 30jährigen Krieg wird die Stadt von Wallensteins Truppen belagert und von den Schweden gerettet und gehörte fortan 200 Jahre lang zur schwedischen Krone, was einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung mit sich brachte. Sehr beeindruckend die Waffensammlung, insbesondere die großen Muskenten, mehr als mannshoch. Schön gestorben sind die Soldaten damals nicht.
Hier wieder etwas sehr Interessantes - eine Karte, die die Verteilung von Kaufleuten, Patriziern, Handwerkern und Dienstleistern auf die verschiedenen Wohnquartiere der Stadt im frühen 17. Jahrhundert zeigt, sowie eine Art 'Stummer Portier'*, der aber nicht die derzeitigen Hausbewohner angibt, sondern als eine Art Stammbaum fungiert.
Ein weiteres Highlight ist die Sammlung des Grafen von Löwen, der im 18. Jahrhundert schwedischer Generalgouverneur für Pommern war. Sie umfasst viele nautische und astronomische Instrumente, unter anderen Auszugsfernrohre, die so lang sind wie mein Wohnzimmer, Sonnenuhren, Oktanten, Kompasse und vieles mehr, aber auch kunstgewerbliche Gegenstände. Das Highlight dieser Sammlung, das Highlight unter den Highlights gewissermaßen ist ein seltenes Globenpaar aus dem Jahr 1715.
Und weil der deutsche Dichter, Historiker und Politiker Ernst Moritz Arndt im Katharinenkloster die Schulbank drückte, welche er ohne Abitur verließ, ganz nebenbei, ist auch ihm ein Schaukasten gewidmet.
Abgerundet wird der Rundgang durch eine Austellung von Möbeln und Interieur, Ladeneinrichtungen und Kunstgewerbegegenständen aus der Zeit des Biedermeier, der Gründerzeit, den 20er Jahren und den 70ern. Hier fehlen die Schweden! Wo ist das IKEA Wohnzimmer mit Billyregal und Klippansofa?
Als ich mich von den Damen von der Museumsaufsicht verabschiede, meinen sie, ich solle mir unbedingt noch das Spielzeug ansehen. Mache ich. Und auf dem Weg dahin finde ich die Tür zum Ort meines ursprünglichen Begehrens - zum Kreuzgang. Aber da muss erst jemand mit dem Schlüssel kommen.
* der 'Stumme Portier' ist eine Besonderheit der Berliner Mietshäuser bevor es elektrische Klingeln gab. Ein großer Bilderrahmen im Hausflur ist mit den Namen der Bewohner beschriftet, oft mit Angabe ob Voder- oder Hinterhaus und welche Etage. Das sparte Besuchern langes Herumirren.
English version below.
Short time ago my parents visited Stralsund too and they really raved about the cloister courtyard of the Stralsund museum and the sculpture by Gustav Seitz, showing the German draughtswoman Käthe Kollwitz. And at first they only wanted to see the cloister, but the lady from the museum said, now that they are here, they should go and see some more. And they did.
Me too, I only wanted to see the cloister first, but right after entering the museum I changed my mind. I've seen a lot of museums, but this one was mind blowing. Beside the beautiful yards which are formed by the former cloister, the old monastery was worth to be seen and the exhibits too. All of them. Everything was interesting and well worth seeing, some were unique and outstanding.
After a brief report about the history of the monastery, a historical painting from 1583 caught my eye. The artist is unknown, but he left a townscape, where I found many things, I've already seen in reality and also buildings, that don't exist anymore, like the church St. Johannis. Plus one can discover how the towers of the several churches changed during the ages. Very lovely and rich of details is a model of cloister St. Katharina in its today's shape, done by long-term unemployed women and men for the blind visitors of the museum.
Always very impressive are altars to me which where created somewhen between the late gothic and early renaissance age. Often there is something of naïve art adhering in the way people are portrayed and the wealth of detail is so opulent on the other side. Here one can find the Franziskus or Sanzkow-Altar, made around 1525, it came originally from the village church of Sanzkow near Demmin. They sold it in 1864 to the province museum of Vorpommern, and because it shows the life and work of Franz of Assisi, it may came initial from a Franciscan Monastery and was dropped in a village church after the reformation. Similar impressive is the collection of medieval paraments. The fourteen vestments descent from the 15th century. Sumptuous fabrics, gorgeous colours, which, even faded, still are to be seen and lavish embroidering. Bearing in mind, that people those days mostly wore wool or linen, often in brown colours, because DIY textile colour wasn't available, those who are wearing so opulent robes must appear to the common people like representatives of a higher power.
It was new to me, that Stralsund was a city of Faience. I always thought, that way of pottery belongs to the south of Europe, no idea why. The clay came from the island Hiddensee, which belongs to Stralsund (http://fraumb-far-far-away.blogspot.de/2016/10/sozialer-wohnungsbau-im-mittelalter.html), negotiations about the property lasts till 2001. The material was brought to Stralsund and here those stunning artwork was made.
The museum contains three floors and a lot of space is reserved for the fields of trade and commerce. One can learn here in what way the Stralsund people earned their money, many of those one find in other places too, but there was another eye-opener - there are playing cards made in Stralsund. I only knew the ones from Altenburg in Thuringia.
And while the attention is claimed by the architecture and the exhibits at the same time, one reach another highlight of the museum - the gold treasure of the Vikings, better known as Hiddensee jewels. Because it was found there. At the shore. After a storm tide the first pieces emerge. They have been lost deep down but now the sea brought them back. Piece by piece. Prosaic persons like scientists said, its more likely the items have been stored in a kind of container and been buried in the peatery. We don't know for sure, and it doesn't matter. Now it's here. And the way, the museum presents the jewels doesn't rank behind the beauty and mystery of it. The pieces of the treasure wind in their cabinet like a spiral raising out of the water. Less spectaclair in the way they were found and look are the Peenemünde bangles, which were found in 1905 when a farmer was planting trees. But they aren't less beautiful.
And it goes on with the economical successful story of Stralsund with devices from the iron and steel manufacturing, woodcraft, cooperage, shipbuilding and crafts. On the next floor one can find many church treasures from churches that didn't survive flood or fire. And one get an insight in pre and early history.
During the Thirty Years War the city was besieged by the troops of Wallenstein and saved by the Swedish and did belong to the Kingdom of Sweden for about 200 years. That brought a new economic boom for the city. Impressive was the collection of weapons, especially the big muskets, more tall like a man. Soldiers in those days hadn't had an easy death.
And then there were more interesting things - a map from the early 17th century showing where in town, patrician, merchants, craftsmen and contractors did live. And there was a kind of 'Silent Porter'*, but not showing people who currently living in that house, but is a kind of family tree of the inhabitants.
The next highlight is the collection of the Count von Löwen, who's was the Swedish general governor of Pommern in the 18th century. It contains many nautical and astronimical instruments, like extension-telescopes as long as my living room, sundials, compasses, octants and much more, even crafts stuff. The highlight of that collection, quasi the highest light is a rare pair of globes from 1715.
And because the German poet, historian and politician Ernst Moritz Arndt was a student at the school of the cloister, which he left without a degree by the way, a showcase is dedicated to him.
The museum's tour is rounded by a fine exhibition of furniture and interior from the Biedermeier and Gründerzeit, the 20s and the 70s, showing living rooms and shoppes and decoration and artwork. But Sweden is missed here. Where is the IKEA living room with billy shelf and klippan sofa?
As I said bye to the ladies of the museum, they told me not to miss the toys exhibition. I won't. And while going there I find the door to the place I initial came for - the cloister courtyard. Now I only need someone with a key.
* a silent porter is something special we have in Berlin. It's a kind of bell board before electronic bells were invented. A big frame, often shaped like a house, shoes in which floor and which part of the house people live. So the visitor didn't need to run around the whole place.
Danke für diesen wundervollen Bericht und die schönen Fotos. Ich war vor zwei Jahren ähnlich fasziniert, aber meine Fotos waren bei weitem nicht so gut :-)
AntwortenLöschenVielen Dank für das Feedback und bei den Fotos hatte ich Hilfe von meinem iPad ;-)
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