Heute ist meine Reiseleiterin Cheryl White, sie lebt seit langem in Tokyo, liebt Champagner, gutes Essen und Reisen. Also, ein Profi. Sie hat vorgeschlagen, Shinagawa zu erkunden, das tat sie auf der Seite www.savvytokyo.com. Dann geh ich mal los und befolge ihre Anweisungen.
Nach Shinagawa fahren! Erledigt. Am besten am frühen Vormittag. Keine Chance. Also, den West-Ausgang am Bahnhof finden, das ist nicht schwer, an den drei Prince Hotels vorbei, das ist leicht! Nun die Straße runter bis zur Fußgängerbrücke und diese überqueren. Getan. Und schon bald könne man in eine ruhige, fast vorstadtartige Nachbarschaft eintauchen. Jawohl, und zwar von einem Moment zum anderen ist es still. Unglaublich. Aber das ist etwas, was mich immer aufs Neue beeindruckt, wie plötzlich es still sein kann in Tokyo. Am Ende der Straße befindet sich der Tozenji Tempel. Ein Kleinod, unentdeckt von Touristenströmen und Reiseführerschreibern, ein eher kleiner Tempel, fast verborgen von der ihn umgebenden Vegetation. Und manchmal ist es ja kurios, man trifft sich immer zweimal im Leben, oder man trifft Dinge zweimal. Der Tozenji Temple war der Gastgeber für die erste britische Gesandschaft in Tokyo, so wie der Zenpukuji in Azabu Juban die Amerikaner beherbergte ( http://fraumb-far-far-away.blogspot.de/search?updated-min=2015-01-01T00:00:00%2B01:00&updated-max=2016-01-01T00:00:00%2B01:00&max-results=40). Zum Tempel gehört natürlich auch ein Garten mit Teich, aber leider ist der nicht zugänglich gewesen.
Nun ein Blick aufs intelligente Telefon, wo geht's lang? Aha, Straße zurück gehen und nach links. Wo ich jetzt laufe, war früher nass, lerne ich gerade. Wo heute Straße ist, war früher Meer. Oder jedenfalls das Meer zu Ende. An der nächsten Straßenecke gibt es neues Wissen. Schautafeln mit Ukiyo-e, japanischen Holzschnitten und Erklärungen in japanisch und englisch erzählen von der Stadtentwicklung in der Edozeit. Diese Gegend war einst ein Platz zum Warenumschlag und der Ochsenställe. Die Fuhrwerke kamen 1634 aus Kyoto als Transportmittel für den Bau des Zojoji Tempels (http://fraumb-far-far-away.blogspot.jp/2014/02/lichtspiele-und-eine-jizo-armada.html). Als der Tempel fertig war, konnten die Wagenfahrer, warum auch immer, nicht wieder zurück, und blieben so hier und wurden kurzerhand vom Tokugawa Iemitsu, dem dritten Shogun aus der Reihe unter Vertrag genommen. Stationiert waren sie hier, in Kuruma-Cho, der Straße der Wagen.
Ich lasse das Geschichtsbuch hinter mir, soll drei Häuser weiter gehen und biege erstmal falsch ab. Statt zum Sengakuji komme ich zu einem kleinen Tempel, der mehrheitlich von Bauplanen verhangen ist. Dahinter ist ein winziger Friedhof, davor ein Getränkeautomat, macht zusammen Kaffeepause. Und trotz Baulärm und Preßlufthammer ist es irgendwie ein ruhiger Ort. Seltsame Gegend. Aber eigentlich will ich den Sengakuji Tempel finden. Der ist jetzt nicht wirklich ein Geheimtipp, sondern eher das Gegenteil. Hier machten die 47 Ronin auf ihrem Weg nach, ja, wohin auch immer, Pause. Sie sind mir schon begegnet, also nicht persönlich, wofür ich dankbar bin, aber ihre Geschichte. Und zwar als ich den Kaisergarten besucht habe, und ich meine, das war auch das Ende ihrer Reise (http://fraumb-far-far-away.blogspot.jp/2012/01/der-kaiserliche-garten-imperial-garden.html). Hier werden sie verehrt als Symbol der bedingslosen Treue bis in den Tod. Ich persönlich kann da nichts verehrungswürdiges sehen; ich denke, wenn man will, dass alles bleibt, wie es ist, muss man dafür sorgen, dass sich alles ändert. Das ist übrigens ein Sprichwort der Massai, auch große Krieger. Also, die abgehalfterten Samurai sind lange weg, aber Busladungen von Touristen gibt es auch nicht, alles geschlossen heute, aber der Tempel sieht sehr, sehr schön aus. Übrigens kommen die hierher zum Beten, denen der Sinn nach Vergeltung steht. Ich gehe kurz in mich, ganz kurz, nein, ich muss nicht wieder kommen.
Weiter im Text. Neben dem Gelände des Tempels hat sich in einem schönen Gebäude, das entweder alt ist, oder nur so tut, eine neue religiöse Sekte niedergelassen, Happy Science, die lass ich jetzt einfach mal links liegen. Buchstäblich. Etwas weiter die Straße entlang und den Hügel hinauf und dann wird mir ein kurzer Umweg in die Jomon Zeit vorgeschlagen, also ca 150 Meter und 3000 Jahre. Na, da bin ich doch dabei. In einem kleinen Park ist ein Haus aus der Jomon Zeit (ca 1000-400 v. Chr.) nachgebaut, ein Diorama gibt einen kleinen Einblick in die Lebensweise der Menschen damals. Dazu gibt es Erläuterungen und Repliken von Tonfiguren. Wer mehr davon sehen möchte, geht ins Tokyo Nationalmuseum im Ueno Park, dort gibt es einige Originalfiguren, die bei Ausgrabungen gefunden wurden. Ich verweile kurz auf einer Parkbank, neben mir am Trinkwasserbrunnen, wächst ein Mann mit kaputten Schuhen seine Kleidung. Obdachlose, die ultimativen Verlierer der Rezession, und keine Aussicht auf Verbesserung. In solchen Momenten muss ich mich immer innerlich verneigen vor dem vorbildlichen, komplexen, umfassenden sozialen Netz in Deutschland. Obwohl ich es derzeit mitfinanziere, weiß ich, es würde mich auffangen, sollte ich fallen.
Ich verlassen die Frühzeit und kehre ins heute zurück und will nun den dritten Tempel unseres Spaziergangs finden und verpasse aber irgendwie die rechte Abzweigung, also zurück, und weiter zurück, ah, ja, da! Da ist es. Nö, ist es nicht! Aber was ist es? Es ist ein Friedhof ohne Tempel. Habe ich hier noch nicht gesehen, und auch die Grabmäler sind untypisch, als für japanische Friedhöfe, aber typisch für europäische. Faszinierend! Und wieder ist es ganz still und friedlich. Überlege gerade, ob ich hier bleibe für den Rest des Tages oder einfach zur Bahn zurück gehe und nach Harajuku zu einkaufen fahre. Ich verlasse diesen schönen Ort und stehe wieder bei den Glücklichen Wissenden vor der Tür. So schnell gerät man denen in die Fänge. Also, nix wie wieder weg.
Nun blieb nur noch eine Straße, aber ich frage zuerst mein smartes Telefon. Kofukuji Tempel, jawoll, ist ihm bekannt und es schickt mich gleich mal auf den Weg, nach Nara, muss ich mit dem Zug fahren und dann laufen, und schon bin ich da. Na, danke. Ich schau mal selber nach. Bin gerade ein bisschen froh, dass ich doch schlauer bin als mein Handy. Also, es ist die Straße, die ich noch nicht lang gegangen bin und hier kann ich mal das tuen, was ich sonst auch mache, damit ich nicht aus der Übung komme, schwimmen gegen den Strom. Die Schule ist aus und Heerscharen von Schüler streben in großen Gruppen der nahen Metro und Stadtbahn zu. Uff, endlich liegt die Schule hinter mir. Von den angekündigten kleinen Geschäften die Antiqutäten oder Elektronik feilbieten habe ich so gar nicht viel mitbekommen, auch die Bar Baker Street 221b hat sich meinen Blicken entzogen, dafür habe ich eine Art Pfötchen-Hotel entdeckt. Ich nun wieder. Und plötzlich bin ich wieder richtig, da ist die alte Feuerwache, aus den 30er Jahren, Bauhausstil und historische Feuerwehrautos im Untergeschoss. Toll!
Und zu guter letzt, der gesuchte Tempel. Ich muss gleich zweimal hinsehen, aber ja, es ist der Tempel, sieht nämlich eher aus wie ein Parkplatz mit Religionsanbindung. Nüchtern, steril, Neubau halt. Schön sind die vielen verschiedenen Jizo Statuen, in allen Größen und unterschiedlichen Erscheinungen. Einer Geistergeschichte zufolge spukten hier eine Mutter und ihr Kind und suchten die umliegenden Süßwarenläden heim. Einem Priester ist es gelungen die Geister mit Gebeten zur Ruhe zu bringen und nun ist dieser Ort eine Art Wallfahrtsstätte für Mütter mit Kindern.
Na das war doch ein schöner Spaziergang mit vielen interessanten und so unterschiedlichen Dingen, quer durch viele Zeitalter, durch Geschichte und Religion. Vielen Dank, Cheryl White. Die Empfehlung zum Bahnhof Shinagawa zurückzukehren schlage ich allerdings aus, ich fahre jetzt nach Harajuku, ich brauche jetzt was süßes, klebriges, Crêpes mit Käsekuchen.
Today me travel guide is Cheryl White, a long term resident of Tokyo, loves champagne, good food and traveling. A professional. She suggested to see Shinagawa, she did that at www.savvytokyo.com. Then I go and follow her instructions.
Going to Shinagawa! Done. Best time is the early morning. No chance. Than finding the west exit of the station, that's easy, and pass along the three Prince Hotel Buildings, more easy. Now walk down the street till the pedestrian bridge and cross it. Done! And then dive into a quiet, kind of suburban neighbourhood. And exactly, from one moment to the next it's silent. Amazing! Something I'm always be impressed by, how tranquil Tokyo can be. At the end of the street I find Tozenji Temple. A beauty spot, undiscovered by tourist's masses and travel book writers, a more smaller one, nearly hidden in its surrounding vegetation. And that's a bit funny, we say, you meet each other always two times in life, or you meet things two times. That temple was hosting the first British legation in Tokyo like the Zenpukuji in Azabu Juban did for the Americans (http://fraumb-far-far-away.blogspot.de/search?updated-min=2015-01-01T00:00:00%2B01:00&updated-max=2016-01-01T00:00:00%2B01:00&max-results=40). Of course a garden and pond belongs to the temple too, but it was not open for the public.
A look onto my smart telephone, where to go next? Aha, back to the main road and than keep left. Where I'm walking now was it wet in former times. The street today was seaside once, I'm just learning. Or it was the shore at least. At the next corner I can gain new knowledge. Show boards with Ukiyo-e, Japanese wood prints and explanations in Japanese and English tell the story of the development of the area during the Edo period. The place was once a transshipment point for goods and a parking lot for ox carts. The ox carts came from Kyoto in 1634 and were needed for the construction of the Zojoji Temple (http://fraumb-far-far-away.blogspot.jp/2014/02/lichtspiele-und-eine-jizo-armada.html). As the work was done, the drivers and carts couldn't go back for whatever reason and so the Tokugawa Iemitsu, the third in the line of the clan contracted them and they were based in Kuruma-cho, the street of carts.
I leave the history text book behind me, shall walk three more blocks and first turn to wrong place. Instead finding Sengakuji temple I found another one, small and mostly covered in plastic tarp for construction work, and behind a small cemetery and in front a venting machine, that's together a coffee break. It's a kind of silent place, even there is a jackhammer and construction noise. That's a strange place. But I'm on to find the Sengakuji Temple, and that's not really an insiders' tip. It's more the opposite. Here the 47 Ronin took a rest on their way to, where ever. I already met them, not in real life, and I'm grateful for that, but the story about them. That was at the Emperor's Garden and that was their final destination, if I remember it right (http://fraumb-far-far-away.blogspot.jp/2012/01/der-kaiserliche-garten-imperial-garden.html). They and their story are kind of honoured here, their unconditional truth till death. Me personally can't see anything venerable in that all. If you want anything to stay like it is, make sure anything changes. That's, by the way, a saying of the Massai, great warriors too. So, the has-been samurai are long gone and there are no bus loads of tourists, it's all closed today, but the temple itself looks beautiful. And you come here to pray if you got retaliation in mind, just let me take a short inward turn, no, I do t have to come back.
On with the show! Beside the temple, in a beautiful building, which is old, or pretend to be so, a new religion found its home. I'll pass along straight and climb on a small hill and here a small detour is recommended. 150 meters and 3000 years. In a small park a house of Jomon period (1000-400 B.C.) was reconstructed and a diorama shows the way the people lived back in that time. There are some explanation and replica of claw figures out of that time. If you want to see more of them, go and see the Tokyo National Museum at Ueno Park, there are some original figures found at archaeological diggings. I take a short break on a bench and beside me at a drinking water well a man with broken shoes is washing his clothes. Homeless people, the ultimate loser of recession and no improvement to be seen. I'm those moments I have to bow down inwards to the model, complex and widespread social net in Germany. Even if I have to pay for it right now, I know it would catch me too, should I fall.
I leave the early time and come back into now and want to see the third temple of the journey and miss the right turn, double back and miss it again and go back and yes, here it is. No, it isn't. But something I found, but what is it. It's a cemetery without a temple. Never seen that before, and even the graves are non-typical for Japan, but more typical for Europe. That's really interesting. And it's so peaceful and silent. Just thinking about staying here for ever or go back to the train and go shopping in Harajuku. I'm leaving this lovely place and right away standing in from of the Happy Scientists again. So fast you get caught in their clutches, I better be off here.
There was only one road left, I didn't try yet and so I ask my intelligent cellphone about the Kofukuji temple. Yes, indeed, well known to it and it sends me off to Nara, I shall take the train and walk a bit. And soon I'll be there. Thank you so much. I look myself and yes, it's exactly the street I'm on now. I'm a bit happy now, that I'm smarter than my phone. And now I'm doing what I always do, to make sure I'm not getting out of practice: swimming against the tide. It's school finishes and armies of students are walking down to the train station and I go in the opposite direction. Phew, finally I passed the school, but I didn't see much of the small shoppes with antiques and electronics my travel guide was talking of, I also missed the bar Baker Street 221b, but I found a canine hotel. Me again! But suddenly I'm in the right place again. The house of the fire brigade come into view, build in the 30s last century in the style of Bauhaus and old vehicles are shown in the basement. Great!
And last but not least, the temple shows up, I have to look twice, but yes, it's the temple. It looks more like a parking lot with religious linking. Arid, sterile, new building just. What is really beautiful, the many different Jizo statues, all size and appearance. There is the tale of a ghost mother with her child wandering around and haunt candy shops of the area. A priest was able to placate them with prayers and now the temple is a place of worship for mothers with children.
That was a really good walk, so many interesting things to be seen, crossing times and history and religion. Thank you, Cheryl White. But I refuse the offer to go back to Shinagawa Prince Hotel for Thai curry, I'm going to Harajuku now, I need something sweet and sticky, crêpes with cheesecake.
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